Text Charis Stank *

Fotos Ulla Schneeweis**

Das Piemont ist reich an Wein, Haselnüssen und Trüffeln. Aber Senf oder Chilischoten? Sind selten. Kaum ein Landwirt versucht sich daran, obwohl die natürlichen Gegebenheiten Erfolg versprechen. Ein Paar, das die Lücke erkennt, sind Elisa und Paolo Artusio aus Ceva im Süden der Langhe. Auf ihrer kleinen Farm, die schon Paolos Großmutter bewirtschaftete, wagen sie während der Coronapandemie als Quereinsteiger einen ungewöhnlichen Neuanfang. In der Tradition der Slow Food Bewegung verarbeiten sie Senfsaat, Zwiebeln und Chilischoten zu aromatischen und hochwertigen Produkten. Sie verkaufen sie unter  dem Label „Mosto Ardente„. Piemontesischen Senf, Chilisauce, eine rote Zwiebelmarmelade und vielleicht schon bald einen echten „Hot Langa Liquore“.

Sinapis alba – Wissenswertes über die Senfpflanze

„Sinapis alba“ ist der lateinische Name für die weiße Senfpflanze. Aus ihr werden Senfsaat, Senfmehl und Öl gewonnen. Weil die Pflanze tief reichenden Pfahlwurzeln hat, lockert sie gleichzeitig den Boden auf und wird für den Landwirt so als Zwischenfrucht attraktiv. Das Blattwerk kann er für die Tierfütterung verwenden, in den Schoten reift die Senfsaat heran. Sie ist der Grundstoff für die Senfproduktion.

Je nach Region beginnt die Aussaat im Frühjahr. Auf der Farm der Artusios, in Castellino Tanaro bei Ceva, idealerweise im April. Senf wächst schnell. Schon nach drei Wochen sind erste Blättchen zu erkennen und bald werden die Senfpflanzen bis zu einem Meter hoch. Die Blütezeit ist im Sommer. Sonnengelb leuchten die Felder, wie beim Raps. Für Paolo und Elisa von Mosto Ardente kommt dann die arbeitsintensivste Zeit des Jahres: der Senf muss geerntet werden. Hierbei ist es wichtig, dass die Schote bei der Ernte noch geschlossen bleibt. Nur so ist garantiert, dass die Senfkörner auf dem Weg vom Feld nicht verloren gehen.

Als wir Elisa und Paolo besuchen, ist Frühling im Piemont. Die Felder liegen brach. Erste Vorbereitungen für die neue Pflanz-Saison werden getroffen. Während wir durch den Garten der Farm und in das kleine Laboratorium spazieren, bekommen wir dennoch einen umfassenden Eindruck von ihrer exklusiven Senf- und Chili-Produktion. Wir sehen Teile der Anbauflächen für Senf, Zwiebeln und Chili.

Unsere kleine Farm: Mosto Ardentes kleines Paradies in Castellino Tanaro

Die Farm von Mosto Ardente liegt inmitten einer Handvoll Häuser, die sowohl landwirtschaftlich, als auch als Ferienunterkünfte genutzt werden. Im Tal schlängelt sich das Flussbett des Tanaro, während der Blick zum Horizont bis an die ligurischen Alpen reicht. Mit dem Auto ist Castellino Tanaro nur wenige Minuten vom belebten Mondovi entfernt. Auch Ceva, Paolos und Elisas Heimatstadt, ist nah.

Um zu verstehen, warum Paolo und Elisa diesen ungewöhnlichen Weg als Neu-Farmer gegangen sind, ist es gut, ihre Geschichte zu kennen. Sie beginnt bei Paolo in Turin. Nach einem Abschluss der Universität steht ihm die Welt offen. Er entscheidet sich für einen Job bei einer NGO, die ihn zunächst nach Marokko und später bis nach Haiti führt. Dort trifft er Elisa. Sie arbeitet ebenfalls für eine NGO und entschließt sich 2016 gemeinsam mit Paolo in das Piemont zurückzukehren. In Ceva finden beide im Il Berlino Social Club eine neue Herausforderung. Doch die Pandemie stoppt das öffentliche Leben, die Bar muss schließen.  Um den Alltag trotzdem bewältigen zu können, suchen die beiden nach alternativen Lebensentwürfen. Und erinnern sich an die Farm in Castellino Tanaro, die Paolos 96-jähriger Großmutter gehört. Sie liegt nah genug an ihrem Wohnort Ceva und erlaubt das Stadtleben mit einem Neustart auf dem Land zu verbinden.

Doch womit beginnen? Für Zuckerrohr, das Paolo aus seit seiner Zeit in Haiti sehr gut kennt, sind die Bedingungen nicht optimal. Weinanbau wäre möglich, interessiert die beiden aber nicht genug. Sie suchen nach geeigneten Pflanzen und Rezepturen, aus denen qualitativ hochwertige Produkte mit einfachen Rezepturen herzustellen sind. Ihre Wahl fällt auf verschiedene Senfpflanzen, Zwiebeln und höllisch scharfe Jalapeños. Die Chilisauce aus den Jalapeños wird Paolos Produkt aus Leidenschaft.

Weißer Senf, schwarzer Senf, Zwiebeln und Jalapeños

Damit die Ernte reicht ausreichend Ware zu produzieren, pachten Elisa und Paolo zusätzliche Flächen hinzu. Außerdem Maschinen. Beim Anbau, der Pflege der Felder und der Ernte lassen sich sich unterstützen. Sie bauen Weißen Senf  (Sinapis alba) und Schwarzen Senf (Brassica nigra) auf ihren Äckern an, der im Herbst geerntet wird. Zusätzlich bringen sie auf einem steilen Hang hinter dem Haus eintausend Jalapeños-Pflänzchen in den Boden. Die Zwiebeln mit großen grünen Schloten wachsen auf einem Acker neben dem einstigen Gemüsegarten der Großmutter. Weil Umweltschutz und Nachhaltigkeit für Mosto Ardente ein großes Anliegen sind, vermeiden Elisa und Paolo in ihrer Produktion jegliche chemische Zusatzstoffe.

Während der Sommer im Zeichen des Wachstums und der Bewässerung steht, wird im Herbst die Ernte eingefahren. Für den Mosto Ardente-Senf werden die Senfkörner gereinigt, getrocknet und in einer Senfmühle mit großen Granitsteinen zermahlen. Paolo und Elisa praktizieren das im Laboratorium im Haupthaus des Grundstücks. Mit dem weißen Riesling von Serafina-Quota, Apfelessig, Wasser, Salz, weißem und schwarzem Senf wird der „Senape di Langa“ hergestellt. Und weil alle Zutaten aus der nahen Umgebung kommen, fällt die Umweltbilanz für den scharfen Begleiter von Fleisch und Wurst erstaunlich gut aus. Ganz im Sinne der Ideale von Slow Food, das im nahen Städtchen Bra seinen Anfang nahm.

Aus den Jalapeños bereiten Elisa und Paolo eine scharfe Chili-Sauce zu. Die Zwiebeln werden durch Fermentation und Kochen zu einer köstlichen Zwiebel-Konfitüre. Ihre Verpackungen hat Elisa designt.

Mosto Ardente

mostoardente.com

Azienda Agricola Mosto Ardente di Paolo Artusio
località Maccaferro n|1
Castellino Tanaro (CN)

Link zu Google Maps

Produkte

Senf (Senape di Langa), Hot Sauce (Hot Langa Salsa), Zwiebel-Chutney (Mostarda)

*Charis Stank lebt und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.

Der Text erschien unter Lokal, scharf und nachhaltig: Die Senf- und Chili-Manufaktur Mosto Ardente im Piemont im Schönste Zeit Magazin.