Text und Photos Anna Pearson*

Habt ihr schon einmal von einer «Agripanetteria» gehört? Ich bis vor kurzem noch nie. Konnte mir dann aber in etwa zusammenreimen, was das sein müsste: «Agricoltura» (Landwirtschaft) + «Panetteria» (Bäckerei) = «Agripanetteria» = eine Bäckerei, die selbst angebautes Getreide verarbeitet!

Et voilà, in Dogliani gibt es jemanden, der genau das macht: Stefano Musso baut alte Getreidesorten an und backt daraus sehr gute Focacce, Brote, Grissini etc. Das ist der kleine, selbst gebaute Laden von Stefano Mussos «Agripanetteria». Das ist Stefano.

Herzstück der Bäckerei: Der restaurierte Holzofen

Herzstück der Bäckerei ist der schön restaurierte alte Holzofen. Dieser war lange nicht in Gebrauch. Früher haben ihn die Familien von Dogliani gemeinsam benutzt und regelmässig ihr eigenes Brot gebacken. Stefano erzählt, dass es eine Herausforderung war, in diesem Ofen das Backen zu lernen. Die Temperatur kann nicht wie in einem modernen Ofen nach Belieben gesteuert werden. Um den Holzofen richtig einzuheizen, muss Stefano sehr früh aufstehen. Ist die gewünschte Temperatur erreicht, geht es darum, diese für die verschiedenen Backprodukte optimal zu nutzen. Zuerst wird das gebacken, wofür eine hohe Temperatur nötig ist. Am Schluss kommt jenes rein, für das tiefere Temperaturen ausreichen, zum Beispiel die Grissini.

Stefano baut alte Getreidesorten an. Diese haben einen niedrigeren Glutengehalt. Der Teig muss deshalb viel länger geknetet werden als einer aus moderneren Getreidesorten. In einer normalen Knetmaschine würde sich der Teig beim langen Kneten aber zu sehr erhitzen und die Qualität der Backwaren leiden. Deshalb benutzt Stefano eine Knetmaschine, die normalerweise für die Produktion von Panettone verwendet wird. Mit dieser wird der Teig nicht mit einem rotierenden Knethaken geknetet, sondern schonend von zwei Metall «Händen» bearbeitet, die viel Luft in den Teig einarbeiten. Nur so werden Stefanos Brote so luftig, wie man es von modernen Getreidsorten gewohnt ist.

Warum also überhaupt alte Sorten? Weil sich diese für den biologischen Anbau eignen, weil sie mehr Geschmack haben und mehr Nährstoffe. In Kombination mit einer langen Teigführung ergibt dies hochwertige Brote mit viel Geschmack, die länger frisch bleiben und leichter verdaut werden können.

Landwirt, Bäcker oder …?

Ich frage Stefano, ob er gelernter Landwirt oder Bäcker sei. Er antwortet: weder noch – eigentlich sei er Maurer. Als er Vater geworden sei, habe er angefangen, sich Gedanken zu machen, ob das Essen, das er seinen Kindern gebe, denn gesund sei. Er sei zum Schluss gekommen, dass er es nicht verantworten könne, seine Kinder mit konventionell produzierten Lebensmitteln zu ernähren. Also legte er einen Gemüsegarten an, später einen Getreideacker und begann Brot zu backen. Zuerst für seine Familie, später für das ganze Dorf!

Agripanetteria Stefano Musso

Borgata Biarella 7

12063 Dogliani (CN)

+335 7067332
stecomestai@alice.it

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*Anna Pearson ist Designerin, quereingestiegene Köchin, Kochbuch-Autorin und -Verlegerin. Mit ihrem Verlag, der Edition gut, hat sie in Zusammenarbeit mit ihrer Schwester, der Fotografin Catherine Pearson, zwei Bücher publiziert: «zu Tisch.» (2014) und «Pasta» (2018). Beide Bücher wurden mit verschiedenen Buchpreisen ausgezeichnet.

Anna Pearson engagiert sich seit Jahren für Slow Food, eine weltweite Bewegung, die sich für gutes, sauber und fair produziertes Essen einsetzt und dafür, dass jeder Mensch Zugang dazu hat. Diese Überzeugung ist in all ihren Projekten zu spüren – auf genussvolle Art will Anna Pearson immer auch für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln inspirieren.